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Über das Frausein – eine Fehlgeburt als urweibliche Erfahrung

Heute möchte ich über ein Thema schreiben, über das noch immer viel geschwiegen wird, und das dennoch zum Leben dazugehört. Viele Frauen haben im Laufe ihres Lebens eine Fehlgeburt, so auch ich. Jede Frau erlebt dies natürlich anders, und es ist mir wichtig zu betonen, dass es hier kein Richtig und kein Falsch gibt. Ich möchte mit diesem Text nur meiner Erfahrung eine Stimme geben, vielleicht auch, um anderen Mut zu machen, dies ebenfalls zu tun. Oder vielleicht auch, um den Frauen Mut zu machen, die selbst gerade oder zukünftig durch diese Erfahrung gehen. Es ist so wichtig, dass wir uns erlauben, darüber zu sprechen, wie es uns damit geht, wenn eine kleine Seele zu uns kommt und sich dann schon bald wieder verabschiedet. Wir haben das Recht zu trauern, wir haben das Recht zu schweigen und ja, wir haben auch das Recht darüber zu sprechen – auch wenn diese Themen lange Zeit mit Schuld und Scham belegt waren.

 

Es ist ein Teil des menschlichen Lebens, dieses Werden und Sterben. Und gerade wir Frauen sind durch unser zyklisches Wesen auf eine intuitive Weise damit verbunden: unsere Körper können nähren und entstehen lassen, und sie können loslassen. Sie tun es, im Kleinen, jeden Monat. Wir sind uns dessen nur meist nicht bewusst. In der heutigen Zeit vertrauen wir meist nicht mehr unserem Körper, sondern kontrollieren und regeln den Zyklus durch Hormonpräparate, mit denen es sogar auch möglich ist, die oft als lästig empfundene Blutung und die emotionalen Schwankungen völlig zu unterbinden. – Wir könnten uns nicht weiter von unserer urweiblichen Kraft und unserer instinktiven Körperweisheit entfernt haben!

 

Mein Weg der letzten Jahre führte mich Schritt für Schritt wieder zurück zu meinem Körper. Ich spürte irgendwann eine sehr entschiedene Ablehnung, als es darum ging, die Pille wieder zu nehmen. Mein ganzer Körper sträubte sich dagegen. So lerne ich die symptothermale Methode kennen, bei der man anhand der Basaltemperatur und des Zervixschleims sehr genau erkennen kann, wo im Zyklus man sich gerade befindet. Und nicht nur das: Ich lernte meinen Körper und meinen Zyklus nochmals auf eine viel differenziertere Art und Weise kennen, zu verstehen und zu lieben. Was für ein Wunderwerk, der weibliche Körper und der weibliche Zyklus! Ich wünschte mir, ich hätte diese natürliche Art der Empfängnisverhütung schon als junges Mädchen kennengelernt. Und ich hoffe, dass wir die heutigen heranwachsenden Frauen darin bestärken, ihren Zyklus nicht weiterhin durch Hormonpräparate zu kontrollieren oder gar ganz zu unterdrücken, sondern dass wir sie dabei unterstützen, schon früh ein liebevolles, wertschätzendes Verständnis für ihr Frausein zu entwickeln. Damit sie lernen mit ihrem wundervollen Körper zu leben, und nicht gegen ihn.

 

Es gab weitere Schritte und kleine Initiationen, die mich allmählich immer mehr in Kontakt mit meinem Körper brachten. Und wie das so ist auf dem Weg zu sich selbst, nachdem man eine Wegstrecke zurückgelegt hat und neues Wissen und Fähigkeiten erworben bzw. alten Ballast und alte Muster abgelegt hat, kommt eine Weggabelung. Hier wird man getestet: Lebt man das Neue nur in der Theorie, oder lebt man es wirklich? Do you walk your talk? Es ist kein Test in dem Sinne, dass man durchfallen kann oder dass es darum geht zu brillieren. Es ist ein Ruf des Lebens, das Neue nun zu integrieren, wirklich zu „er-leben“, sinnlich zu erfahren. Denn dann ist es im Körper und im Selbst verankert. Nur konkrete, sinnlich erlebte Erfahrungen ändern wirklich etwas an unserem Denken, Handeln und Erleben. Und meist realisieren wir erst danach, dass die Krise, die wir gerade durchschritten haben, genau so eine Weggabelung war, eine Chance nämlich, nachhaltig neue Bahnen zu legen, das Neue wirklich zu integrieren.

 

Als ich mitten auf dieser Weggabelung stand, mit der Information, dass meine Schwangerschaft vermutlich nicht mehr intakt sei, aber man das so genau noch nicht sagen könne, verlor ich erstmal jede Orientierung. Die knapp drei Wochen des Nicht-Wissens – einerseits das Aufrechterhalten der Hoffnung, solange es noch einen Funken Hoffnung gab, und gleichzeitig das Vorbereiten auf das Loslassen, aber noch nicht loslassen können – waren extrem herausfordernd. Als dann klar war, dass es zu einer Fehlgeburt kommen wird, konnte ich mich wieder neu orientieren. Und dann geschah etwas, das mich selbst überraschte und das eigentlich sehr wohltuend war. Mein Körper übernahm die Führung.

 

Interessanterweise war es mir ab diesem Zeitpunkt, als ich mich seelisch, mental und körperlich auf das Loslassen (und die Fehlgeburt) vorbereitete, klar, dass ich nun auf einer dieser Weggabelungen stand, die es mir erlaubte, durch ein wichtiges Portal zu treten. Die Hinweise, dass eine Ausschabung im Krankenhaus nun eigentlich der übliche und der sichere Weg wäre, stießen wieder auf eine entschiedene innere Ablehnung. Ja, ich hatte Angst. Und ja, ich war verunsichert. Und gleichzeitig wusste ich tief in mir, dass mein Körper da alleine durchgehen wollte. Dass ich mich um eine sehr wichtige Erfahrung bringen würde, würde ich mich für den gesellschaftlich vorgezeichneten, vermeintlich sicheren Weg ins Krankenhaus entscheiden und die Verantwortung für mich und meinen Körper in die Hände der Mediziner legen. Mein Kopf zweifelte anfangs. Meine Gedanken waren zunächst flattrig. Aber mein Körper blieb ruhig und entschieden. Er kannte den Weg.

 

Letztlich hatte ich die Fehlgeburt zuhause und es war im Nachhinein nicht wie zunächst befürchtet eine traumatische, sondern eigentlich eine sehr intensive, kraftvolle und zutiefst weibliche Erfahrung. Es war eine schwierige Zeit, und gleichzeitig fühlte ich mich sehr gut aufgehoben mit den Ärzten und Menschen um mich herum, die mich unterstützten und mir, als meine Entscheidung feststand, Mut machten. Und vor allem sorgte ich selbst dafür, dass es mir gut ging und dass ich alles hatte, was ich brauchte, bevor ich mich in "meine Höhle“ zurückzog. Eine Woche lang bereitete ich mich emotional und auch ganz praktisch vor: Ich kochte mir einen großen Topf Kürbissuppe (für mich eine Art Soulfood) und stattete mich mit allem aus, was ich brauchen könnte. Ich war in Kontakt mit der kleinen Seele und sagte ihr, dass es ok sei nun zu gehen. Da mein hCG-Wert immer noch sehr hoch war, nahm ich dann die Tabletten, die mir die Frauenärztin gegeben hatte, um die Fehlgeburt einzuleiten.


Mein Freund war während dieser Zeit nicht bei mir, sondern in seiner Wohnung, aber er war auf Abruf Tag und Nacht bereit und erkundigte sich immer wieder telefonisch, wie es mir ging. Das fühlte sich für mich richtig und stimmig an. Irgendwie war das ein "Frauen-Business". Irgendetwas in mir erinnerte sich an die alten Zeiten, als sich Frauen um Themen wie Menstruation, Geburt, Fehlgeburt im Kreise von Frauen kümmerten. Ich fühlte mich umhüllt, getragen und angebunden an eine universelle weibliche Kraft.

 

Ich erlebte die Zeit sehr intensiv. Die Schmerzen waren teilweise stark, aber erträglich. Ich ließ alle Emotionen, die hochkamen, ungefiltert da sein. Und wie auch die Schmerzen kamen und gingen sie in Wellen. Ich hatte vor einiger Zeit gelesen, dass das Menstruationsblut vor langer Zeit als etwas Besonderes und Heiliges angesehen wurde, damit wurden beispielsweise die Erde und auch wichtige Gegenstände gesegnet. Damals, als ich dies zum ersten Mal las, hat sich dies für mich sehr wahr und auch auf eine unerklärliche Weise bekannt angehört. Und jetzt, mitten in dieser urweiblichen Erfahrung, wusste ich es nicht nur mit meinem Verstand, sondern ich fühlte es auch. Das weibliche Blut, das seit Jahrtausenden als etwas Ekliges, Schambehaftetes dargestellt wird, fühlte sich für mich nun tatsächlich kraftvoll an, wie zu dieser uralten, längst vergangenen Zeit. Ich hatte keine Angst vor meinem Blut, sondern gab auch innerlich mein Einverständnis, dass es einfach fließen durfte. Ich war dankbar dafür. Mein Körper konnte so vollständig loslassen, und zwar nicht auf eine „Rosa-Prinzessinnen“-Art und Weise, sondern auf eine zutiefst erdverbundene, instinktive, kraftvolle Art und Weise.

 

Irgendwann war ich so erschöpft von den wiederkehrenden Wellen von Schmerzen und Emotionen, dass ich auf einer tieferen Ebene losließ und wusste: "Ich gebe jetzt auch das letzte bisschen Kontrolle ab. Jetzt übernimmt mein Körper zu hundert Prozent. Ich kann mich diesem Prozess nur noch hingeben." Das fühlte sich für den ersten Moment extrem verunsichernd, dann jedoch sehr wohltuend und auch sicher an. Er – eigentlich fühlt sich „sie“ hier stimmiger an: Die weibliche Körperin, sie weiß genau, was zu tun ist. Sie macht das seit Jahrtausenden. Sie kann das.

 

Eine Fehlgeburt ist eigentlich wie eine kleine Geburt, nur dass am Ende nicht die Freude über das Neugeborene im Vordergrund steht und dass über diese Erfahrung und die damit verbundene Trauer meist schnell ein Mantel des Schweigens gelegt wird. Aber eben auch dies gehört zum Leben dazu und wir haben ein Recht, auch über unsere Erfahrungen mit der „kleine Geburt“ zu sprechen.

 

Wie bei einer Geburt weiß auch der Körper in dieser Situation, dass nun die Zeit des Loslassens gekommen ist und leitet alles ein, um dies – wenn es keine größeren Komplikationen gibt – aus eigener Kraft zu schaffen. Und so war es auch bei mir. Nach einer intensiven, langen Nacht wurden die Wellen in den nächsten Stunden und Tagen immer kleiner und die Abstände dazwischen größer. Müde und dankbar kroch ich nach drei Tagen wieder aus meiner Höhle.

 

Was sich eine Frau dann wünscht – und vielleicht geht das auch auf eine uralte Zeit zurück – ist, dass der Partner vor der Höhle auf die Frau wartet, um sie nach diesem weiblichen Gang durch den Schmerz und die dunkle Tiefe wieder in seinen Armen zu empfangen. Sie wünscht sich, gemeinsam mit ihrem Partner würdigen zu können, dass da eine kleine Seele zu den beiden gekommen ist und kurze Zeit den Körper der Frau bewohnt hat, bevor sie sich wieder verabschiedet hat. Sie wünscht sich, gemeinsam zu würdigen, dass der weibliche Körper das Baby erst willkommen geheißen und dann, als die Zeit dafür kam, wieder so gut alleine losgelassen hat. Sie wünscht sich, mit ihrem Partner gemeinsam zu würdigen, dass sie als Paar so gut durch diese schwierigen Wochen gegangen sind. Und was sie dafür braucht, ist, dass ihr Partner nicht nur körperlich da ist, sondern auch emotional.

 

Dies kann für den Mann extrem herausfordernd und verunsichernd sein. Im Gegensatz zur Frau hat er den Abschied ja nicht körperlich und meist auch noch nicht emotional durchlebt. Wenn es ihm dennoch gelingt, auch wieder emotional in Kontakt mit der Frau zu kommen, mit ihr gemeinsam das Kommen und Gehen zu würdigen, zu trauern, die kleine Seele zu verabschieden, dann kann dies eine sehr heilsame und kraftvolle Erfahrung für beide sein.

 

Und nicht alle Seelen gehen für immer. Manche sagen erst vorsichtig kurz „Hallo“. Und flüstern dann: „Bis später!“

 


Heute wäre dein Geburtstag.


PS: Falls du dich für die symptothermale Methode interessierst: Ich persönlich kann die App von www.mynfp.de wärmstens empfehlen.

      

PPS: Wenn du möchtest, kannst du (egal ob Frau oder Mann) in der Kommentarspalte auch deiner Erfahrung eine Stimme geben.

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