Als Rauhnächte werden meist die zwölf Nächte zwischen Weihnachten und Dreikönig bezeichnet. Dies ist eine besondere, magische Zeit. Wir befinden uns dann auf der Schwelle, in der Zeit „zwischen den Jahren“, wie ein kleines, feines Atemanhalten und In-die-Stille-Lauschen, bevor der Rhythmus des Jahres wieder einsetzt und dich durch die nächsten zwölf Monate trägt.
Der Ursprung dieser besonderen Zeit liegt in der Differenz des Mondjahres zum Sonnenjahr. Da das Mondjahr mit seinen durchschnittlich 354 Tagen elf Tage und zwölf Nächte kürzer ist als das Sonnenjahr, bezeichnet man die Zeit zwischen der Wintersonnwende und Neujahr gerne als „Zeit zwischen den Jahren“.
Die Rauhnächte können eine Pause sein von den alltäglichen Routinen. Diese Zeit lädt dich dazu ein, zur Ruhe zur kommen, nach innen zu blicken, Vergangenes bewusst abzuschließen und dich auf das neue Jahr einzustimmen. Es ist schön, sich an diesen Tagen mehr Zeit für sich selbst zu nehmen und die Aufmerksamkeit mehr nach innen zu lenken, auf innere Impulse und auf deine Träume zu achten. Du kannst zum Beispiel ein Traumtagebuch führen oder andere kleine Rituale in den Alltag integrieren, die dich daran erinnern, dass diese Zeit vor allem dir gehört.
Für mich fühlt es sich stimmiger an, die Rauhnächte mit der Wintersonnwende, also in der Nacht vom 21. auf den 22. Dezember zu beginnen, da diese Zeit erfahrungsgemäß noch etwas weniger trubelig ist als Heiligabend und da ich gerade für die erste Rauhnacht etwas mehr Zeit für mich und Ruhe schätze. Für andere beginnen die Rauhnächte in der Nacht vom 24./25. Dezember. Beide Varianten sind überliefert. Schau, was sich für dich richtig anfühlt.
Hier ein paar schöne Rituale:
Am ersten Rauhnachtsabend schreibe ich 13 Wünsche fürs kommende Jahr auf kleine Zettel, falte diese und lege sie in eine kleine Box. An jedem Abend ziehe ich dann einen Zettel und verbrenne ihn, ohne ihn nochmals anzusehen. Man sagt, dass sich die geistige Welt um diese Wünsche kümmert. Am letzten Tag bleibt dann ein Zettel übrig, den ich zum Abschluss der Rauhnächte öffne und lese. Um die Erfüllung dieses Wunsches soll man sich im nächsten Jahr selbst bemühen. Diesen Zettel klebe ich zur Erinnerung in mein Büchlein, das ich über diese Zeit hinweg führe.
Für mein Rauhnachtsbüchlein nehme ich mir jeden Abend Zeit. Ich zünde eine Kerze an und notiere, was mir an diesem Tag aufgefallen ist, vielleicht gab es besondere Begegnungen oder andere Impulse, die mir wichtig scheinen. Auch die Träume notiere ich mir. Am ersten Rauhnachtsabend schaue ich auch zurück auf den Januar des vergangenen Jahres. Was ist damals passiert, was hat sich daraus über das Jahr hinweg entwickelt? Dann geht der Blick nach vorne zum Januar des kommenden Jahres. Vielleicht weiß ich schon in etwa, was mich dann erwarten wird, vielleicht gibt es etwas, das ich mir wünsche, das ich in diesem Monat besonders im Blick haben oder entwickeln möchte? Die Ereignisse des Tages und die Träume in der Nacht können wie Wegweiser sein. Am zweiten Rauhnachtsabend geht es um den Februar, am dritten um den März usw. Es ist sehr spannend, unter dem Jahr immer mal wieder das Büchlein der vergangenen Rauhnächte in die Hand zu nehmen und darin zu lesen.
Gerade auch das Aufschreiben der Träume kann ich sehr empfehlen. Als ich dies zum ersten Mal machte, war ich noch fest davon überzeugt, dass ich zu der Sorte Menschen gehöre, die entweder nichts träumen oder sich zumindest so gut wie nie daran erinnern können. Doch kaum lagen Buch und Stift neben dem Bett, purzelten die Träume nur so aus meinem Unterbewusstsein. Es war, als hätte die Seele so einen Weg gefunden, endlich mit mir in Kontakt zu treten. Ich träumte von heute auf morgen viel, klar und eindrucksvoll. Als hätten die Träume vor der Türe gestanden und nur darauf gewartet, dass ihnen endlich jemand zuhört. Stift und Buch neben dem Bett waren das Signal: Jetzt hört uns jemand zu, jetzt sind wir willkommen. – Die Rauhnächte erinnern dich daran, deine Träume einzuladen und der Stimme deiner Seele zu lauschen.
Man kann sich auch eine kleine Schatzkiste basteln und jeden Abend einen Wunsch für den dazugehörigen Monat hineinlegen, entweder aufgeschrieben oder man legt stellvertretend kleine Gegenstände hinein. Oder man bastelt sich eine Collage, die all das umfasst, was man im neuen Jahr gerne in sein Leben ziehen möchte, wo man sich weiterentwickeln und wachsen möchte.
Doch zu jedem Neubeginn gehört auch ein Abschiednehmen. Um gut und frei ins neue Jahr zu starten, ist es wichtig, alte, noch offene Themen zu klären. Man kann sich darum bemühen, einen alten Streit zu beenden, wobei dies nicht unbedingt von Mensch zu Mensch geschehen muss. Es ist auch möglich, dies auf geistiger Ebene zu tun. So gut es geht, sollte man anderen Menschen und sich selbst vergeben für alles, was im letzten Jahr oder in den letzten Jahren nicht gut gelaufen ist.
Auch auf der körperlichen Ebene ist es schön, dieses Loslassen und Hineinsinken zu spüren. Statt einer dynamischen yang-orientierten Yogapraxis oder „Auspower“-Aktivitäten, können sanfte Körperübungen wie Yin Yoga die Zeitqualität und das achtsame und wohlwollende Nach-innen-Lauschen unterstützen. Auch Meditation oder Entspannungstechniken wie Yoga Nidra laden dazu ein, ganz loszulassen, zur Ruhe zu kommen, um dann mit frischer Kraft und Energie das neue Jahr zu begrüßen.
Wichtig ist: Vielleicht brauchst du ja etwas ganz anderes? Tu, was sich für DICH richtig anfühlt. Denn diese Zeit des Jahres möchte dich daran erinnern, wieder mehr auf dich, auf deinen Körper, deinen Geist und deine Seele zu hören. Dafür ist sie da, die Zeit zwischen den Jahren. Nicht funktionieren müssen im Rhythmus der Welt, sondern deinen eigenen Rhythmus (wieder-)finden.
Lesenswert:
Stallkamp, Anne und Werner Hartung: „Rauhnächte – Zeit für mich“ (Neue Erde)
Waldermann-Scherhak, Sandra: "Rauhnacht-Rituale für Frauen. Eine spirituelle Bewusstseinsreise durch die zwölf Nächte." (Schirner Verlag)
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